Erregernachweis mit Doppelbrechung

ETH-Forscher um Raffaele Mezzenga haben ein neues Diagnoseverfahren entwickelt. Dieses beruht auf der Licht-Doppelbrechung und speziellen Lipid-Tr?gersubstanzen. Mit diesem Verfahren k?nnten ?rzte weltweit einfach, rasch und zuverl?ssig Malaria, Ebola oder auch HIV nachweisen.

Vergr?sserte Ansicht: Der Forscher Jijo Vallooran misst die Lichtintensität.
Der Forscher Jijo Vallooran misst mit einem einfachen Belichtungsmesser und einem App auf seinem Smartphone die Lichtintensit?t einer Probe. (Bild: Labor Prof. R. Mezzenga / ETH Z¨¹rich)

Nichts scheint einfacher als das: Man gibt einen Tropfen Blut auf eine Tr?gersubstanz und wartet ein paar Minuten. Danach legt man den Objekttr?ger in ein Ger?t ein, zwischen zwei kreuzweise angeordnete Lichtpolarisationsfilter. Enth?lt nun die Probe winzige Kristalle, welche Licht doppelbrechen, tritt Licht aus dem Ger?t aus.

Und genau das passiert, falls eine Person an Malaria erkrankt ist: Die Probe erzeugt ein Doppelbrechungsmuster, sodass man anhand dieses einfachen Ja-oder-Nein-Schemas rasch und unkompliziert den Nachweis f¨¹r diesen Krankheitserregern erbringen kann. Auch l?sst sich ¨¹ber einen handels¨¹blichen Belichtungsmesser, der an ein Smartphone angesteckt und ¨¹ber eine App gesteuert wird, die Lichtintensit?t und damit die Menge des gesuchten Erregers messen.

G¨¹nstigen Schnelltest entwickelt

Was sich fast ein wenig nach Science Fiction anh?rt, ist soeben Realit?t geworden. Die Forschungsgruppe von Raffaele Mezzenga, Professor f¨¹r Lebensmittel und weiche Materialien, hat vor Kurzem eine wissenschaftliche Arbeit ver?ffentlicht, in der sie diesen neuen Schnelltest vorstellt. Mit dem Testverfahren lassen sich nicht nur Malaria-Erreger nachweisen, sondern auch Viren wie HIV oder das Ebolavirus, diverse Bakterien oder Biomarker wie Glukose oder Cholesterin.

Die Nachweismethode ist nicht nur extrem schnell, sie ist auch verglichen mit anderen Nachweismethoden sehr g¨¹nstig. Das Polarisationsger?t kostet gerademal 20 Franken, sagt Jijo Vallooran, Erstautor der Publikation, die soeben in der Fachzeitschrift ?Advanced Functional Materials? erschienen ist.

Doppelbrechung ausgenutzt

So allgemein das Konzept hinter dieser neuen Technologie ist und so einfach deren Bedienung scheinen mag, so komplex ist die wissenschaftliche Grundlage, die der Erfindung der ETH-Forscher zugrunde liegt.

Die Wissenschaftler nutzen f¨¹r ihr Verfahren sogenannte lyotrope Fl¨¹ssigkristalle, die aus sich selbstorganisierenden Strukturen von Fettmolek¨¹len in Wasser bestehen. Mit solchen Fl¨¹ssigkristallen arbeitet die Forschungsgruppe von Raffaele Mezzenga schon seit L?ngerem. Die Wissenschaftler nutzen diese auch f¨¹r andere Anwendungen, wie etwa die Wirkstoff-Verabreichung oder die Proteinkristallisation.

Lyotrope Fl¨¹ssigkristalle ordnen sich in speziellen Netzwerken mit einzigartiger Symmetrie an. Das heisst, dass sich das kubische Grundmotiv des Fl¨¹ssigkristalls periodisch wiederholt. Im Fall der dreidimensionalen Fl¨¹ssigkristallphasen bilden sich Nanokan?le aus Lipid-Doppelmembranen. Deren Durchmesser betr?gt wenige Nanometer, sodass im Fl¨¹ssigkristall nur wenige freie Wassermolek¨¹le verf¨¹gbar sind. Die Mehrheit davon ist an die Kanalw?nde gebunden. Die Fl¨¹ssigkristalle sind isotrop und weisen damit keine lichtdoppelbrechenden Eigenschaften auf. Zwischen den zwei kreuzweise angeordneten Polarisationsfiltern betrachtet erscheinen sie schwarz.

Enzymatische Reaktionen erzeugen Signal

Vergr?sserte Ansicht: Lichtbrechungsmuster
Lichtbrechungsmuster einer Ebola-positiven Probe. (Bild: ETH Z¨¹rich/Jijo Vallooran)

Um die Doppelbrechung und damit ein Signal zu erzeugen, griffen die Forscher noch einmal in die Trickkiste: Sie f¨¹gen dem Fl¨¹ssigkristall bestimmte Enzyme hinzu, sodass in den Nanor?hren chemische Reaktionen ablaufen k?nnen. Weil nur sehr wenig Wasser in den R?hren frei verf¨¹gbar ist, werden die Produkte der Reaktionen als Kristalle ausgef?llt. Diese verf¨¹gen ¨¹ber die Eigenschaft der Lichtdoppelbrechung.

Betrachtet man nun die Probe durch die Kreuz-Polarisationsfilter, erkennt man farbige Lichtmuster f¨¹r den Fall, dass das Enzym mit der zu testenden Substanz reagiert hat. ?Dieses Doppelbrechungsmuster ist das einzige Signal, das wir f¨¹r Diagnosen und Analysen verwenden m¨¹ssen?, sagt Mezzenga.

Schrittweises Herantasten an Malaria-Nachweis

Zu Beginn ihrer Forschung testeten die Wissenschaftler ihr System mit chemischen Verbindungen, die enzymatisch umgewandelt werden k?nnen. Danach verfeinerten sie ihre Methode und passten sie f¨¹r medizinisch relevante Substanzen wie Glukose oder Cholesterin an. In weiteren Schritten weiteten sie den Umfang der m?glichen Tests auf Bakterien und Viren aus, beginnend mit dem HI-Virus.

Schliesslich konnten Mezzenga, Vallooran und Kollegen aufzeigen, dass sich ihre Methode auch f¨¹r die Diagnose von Malaria, die durch Plasmodien hervorgerufen wird, anpassen l?sst. ?Plasmodien dringen in rote Blutk?rperchen ein und verzehren das H?moglobin, den roten Blutfarbstoff. Der H?m-Teil, welcher f¨¹r die Parasiten giftig ist, kristallisiert aus und hat von Natur aus lichtdoppelbrechende Oberfl?chen. Dadurch m¨¹ssen wir den Parasiten weder mit Antik?rpern markieren noch brauchen wir eine enzymatische Reaktion, um ein Lichtsignal zu erhalten?, erkl?rt Mezzenga.

Viren oder Bakterien hingegen m¨¹ssen erst mit spezifischen Antik?rpern mit an sie gebundenen Enzymen sichtbar und chemisch aktiv gemacht werden, ehe sie mit der Licht-Doppelbrechung festgestellt werden k?nnen.

Flexibel, g¨¹nstig, praktisch

?Unser Testsystem l?sst sich auf eine grosse Zahl von verschiedenen Viren oder Bakterien ausweiten, es ist absolut flexibel?, betont Vallooran. Weil es so einfach zu bedienen ist und f¨¹r den Nachweis von Viren beispielsweise nur ein Set von Antik?rper-Enzym-Konjugaten ben?tigt wird, sieht der ETH-Forscher den Einsatz gerade in Gebieten, die sich teure Laborausr¨¹stung nicht leisten k?nnen. ?Ausser einem K¨¹hlschrank zur Aufbewahrung von Antik?rpern und Enzymen brauchen Anwender nur das Ger?t f¨¹r den Nachweis von polarisiertem Licht sowie die Lipidtr?gersubstanz. Beides ist sehr g¨¹nstig?, sagt er. Die Detektion von Krankheiten wie Aids oder Ebola sei in weniger als einer Stunde zuverl?ssig m?glich. ?Unsere Technologie ist f¨¹r den Feldeinsatz und die Fr¨¹herkennung von Krankheiten sehr geeignet?.

F¨¹r die Erforschung dieser Technologie erhielt Jijo Vallooran ein ETH Pioneer Fellowship. Die Forschenden haben die neue Technologie auch zum Patent angemeldet. ?Wir m?chten etwas wirklich N¨¹tzliches herstellen?, sagt Vallooran. Das Potenzial ihrer Nachweismethode sei sehr hoch, gerade auch im Hinblick auf aufflammende Krankheiten wie Malaria oder Ebola, die sich rasch verbreiten. Die ETH-Forscher arbeiten deshalb derzeit mit Hochdruck daran, mehr Mittel f¨¹r die Weiterentwicklung ihrer Methode zu beschaffen, um diese m?glichst bald auf den Markt bringen zu k?nnen.

Vergr?sserte Ansicht: Prototyp des Kreuzpolarisationsgeräts
Prototyp des Kreuzpolarisationsger?ts. (Bild: ETH Z¨¹rich / Jijo Vallooran)

Literaturhinweis

Vallooran JJ, Handschin S, Pillai SM, Vetter BN, Beck H-P, Rusch S, Mezzenga R. Lipidic Cubic Phases as a Versatile Platform for the Rapid Detection of Biomarkers, Viruses, Bacteria and Parasites. Advanced Functional Materials, published online 4 December 2015. DOI: externe Seite10.1002/adfm.201503428

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